ResidenzJournal Frühlingsausgabe 2025 - Flipbook - Seite 10
Speakers Corner – Ralfs Kolumne
“Der Generationenvertrag – oder: Es ist wie im
Kindergarten“
Kindergartentalk Eins – Opa Friedrich:
„Früher, da hat man noch geackert, bis der Rücken brach, die Hände wie bei einem
Leprakranken abfielen, die Knie so dick wie die Brüste von Dolly Buster anschwollen,
und der Schlaganfall zur täglichen Morgenroutine wurde. Arbeit war kein Hobby, kein
Spaß, nichts, worauf man sich zu freuen hatte, Arbeit war Schicksal. Wenn man Glück
hatte, gab’s am Ende des Monats einen Umschlag mit ein paar Pfennigen drin, um
Futter für die Plagen zu kaufen. Und heute? Heute suchen die jungen Leute in ihrem
Job Selbstverwirklichung! Der Job muss Spaß machen! Wo sind wir? In einer ClownsSchule?
Die sagen allen Ernstes: „Ich will nicht nur für Geld arbeiten, ich will einen Sinn in
meiner Tätigkeit.“ Sinn?! Sinn war früher, die Familie sattzukriegen, die Hypothek zu
zahlen und den Chef nicht dazu zu bringen, einem das Grinsen aus dem Gesicht zu
prügeln! Aber die Jungen wollen „Vier-Tage-Woche“, „Remote Work“ und „Feel-GoodManager“. Wir hatten höchstens einen Meister, der dir einen Schraubenschlüssel quer
in diverse Körperöffnungen quetschte, wenn du nicht ohne Widerworte gefolgt hast.
Heute muss ja jeder eine Meinung haben – und die auch noch vertreten wollen! Früher
war im Job die eigene Meinung so angebracht, wie Kartoffelsalat in einer
Panzerhaubitze!
Und dann dieses Geschwafel von „Work-Life-Balance“. Wir hatten Work – und die
einzige Balance bestand darin, am Ende der 19-Stunden-Schicht für den Meister noch
Bier zu kaufen. Heute jammern sie über Burnout, dieses neumodische und
weichgespülte Mädchen-Aua, wenn sie zwei Stunden Überstunden machen sollen.
Überstunden waren früher Ehrenstunden! Man wurde nicht gefragt, ob man
Überstunden machen könne, die Überstunden haben einem gesagt, wann sie zu
nehmen sind! Und dann wundern die sich, dass sie keine Häuser kaufen können. Ja,
vielleicht mal weniger Latte Macchiato mit Soja-, Reis- oder Gänseblümchenmilch
saufen und mehr malochen, dann klappt’s auch mit dem Eigenheim!“
Kindergartentalk 2 – Junior Claude-Pascal:
„Ach, die Alten und ihre verstaubte Arbeitsmoral. Sie sind stolz darauf, sich
jahrzehntelang kaputt geschuftet zu haben – für einen Boss, der sie am Ende mit
einem Fresskorb in den Ruhestand, oder gleich in die Urne verabschiedet hat. Sie
nennen das „Treue“, wir nennen das „Selbstausbeutung im Masochismus-Modus“.
Sie glauben, Geld wächst auf Bäumen, dabei haben sie vergessen: Wir können
schuften, so viel wir wollen – die Löhne bleiben niedrig, die Mieten explodieren, und
wenn wir Glück haben, ersetzt der Klimawandel die teure Heizung. Danke für das
Wirtschaftswunder-Koma!
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