ResidenzJournal Frühlingsausgabe 2025 - Flipbook - Seite 11
Speakers Corner – Ralfs Kolumne
Und dann ihr ewiger Rat: „Kauf dir doch ein Haus, Junge!“ – klar, Opa, damals hat man
für ein Einfamilienhaus drei Monatsgehälter hingeblättert und eine Runde Bier und
Schnaps für die Familie des Verkäufers geschmissen (oder hat Töchterchen Helene für
Bett und Ehe versprochen), heute reicht das nicht mal für die Kaution eines EinZimmer-Lochs. Aber ja, bestimmt liegt’s an meinem veganen Latte Macchiato.
Arbeit ist für uns nicht Religion, sondern höchstens Mittel zum Zweck. Und wenn schon
Mittel, dann ein sinnvolles! Und unsere einzige Treue gilt uns selbst – ihr nennt das
vielleicht Egoismus, wir nennen das kongruent sein! Und wenn das heißt, dass wir für
weniger Geld lieber weniger kaputtgehen, dann nennt uns halt faul. Aber wir nennen’s
schlicht: ein bisschen klüger.“
Residenzschreibertalk:
Ein Beispiel: Die Wohnung ist längst abgebrannt, die Kaution schon vor Jahrzehnten
versoffen, jedoch will der Rentner, äh, Pardon, der Vermieter weiterhin die Miete
kassieren – von Mietern, die noch nicht mal eingezogen sind.
Oder ganz anders erklärt: „Ihr faulen Bubis zahlt jetzt für uns, und irgendwer zahlt
irgendwann irgendwas für euch.“ Das klingt fast wie eine ARD-Daily-Soap. Nur blöd,
wenn irgendwann das Drehbuch ausgeht, weil keine neuen Schauspieler geboren
werden, und das Drehbuch sowieso von Anfang an ein offenes Ende vorsieht.
Die Rede ist vom Generationenvertrag. Dabei ist es nicht einmal ein richtiger Vertrag.
Meine Kinder haben ihn nicht unterschrieben. Meine Oma auch nicht. Der
Generationenvertrag ist im Prinzip ein unausgesprochenes Abonnementmodel, bei
dem man zu spät merkt, dass es eine automatische Verlängerung und keine
Möglichkeit zur Kündigung beinhaltet.
Dieser Vertrag entspringt den 1970er Jahren – hat aber den Charakter von Praktiken
aus dem Mittelalter.
Die Alten sagen: „Wir haben das Land aufgebaut.“ Die Jungen sagen: „Und wir räumen
es wieder auf.“ Beide haben recht, doch während Oma Siglinde die Kaffeekasse der
Rente plündert, jongliert Enkel Kevin mit befristeten Verträgen und 17-EuroStundenlöhnen. Kevin darf den Vertrag erfüllen, ohne jemals eine Unterschrift geleistet
zu haben. So, wie nennt man nun das Ganze? Richtig, Zwangsmitgliedschaft. Aber
keine Sorge, die Politik verspricht Reformen. Das bedeutet: Man schiebt das Problem
zehn Jahre weiter, bis die nächste Generation dran ist. Man könnte fast meinen, der
Generationenvertrag sei weniger ein Pakt als eine Art Staffellauf – nur dass am Ende
des Staffelsprints kein Zielband wartet, sondern ein Abgrund.
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